Entwurf der Verfassung des Kantons Wallis

Vom Verfassungsrat am 25. April 2023 genehmigt (zu den namentlichen Abstimmungen).
Dem Volk am 3. März 2024 zur Abstimmung vorgelegt.

0. PRAÄMBEL

Art. 0 Praämbel
Im Namen Gottes des Allmächtigen!

Wir, das Walliser Volk, frei und souverän,
in Achtung vor der Würde jedes Menschen und respektvoll gegenüber der Natur,
im Bewusstsein unserer Geschichte und der Stellung des Kantons in der Schweizerischen Eidgenossenschaft,
im Willen, unsere Verantwortung gegenüber heutigen und zukünftigen Generationen wahrzunehmen,
entschlossen, eine solidarische Gesellschaft und einen auf dem Recht gegründeten Staat zu bilden,

geben uns folgende Verfassung:

1. ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Art. 1 Republik und Kanton Wallis
  1. Der Kanton Wallis ist ein Gliedstaat der Schweizerischen Eidgenossenschaft.
  2. Der Kanton Wallis ist eine demokratische Republik, in der die Bürgerinnen und Bürger an Rechten und Würde gleich sind. Die Souveränität liegt beim Volk, das sie direkt oder indirekt durch seine Behörden ausübt.
  3. Der Kanton Wallis ist ein Rechtsstaat.
Art. 2 Organisation
Der Kanton gliedert sich in Gemeinden und Regionen.
Art. 3 Hauptstadt
Sitten ist die Hauptstadt des Kantons und Sitz des Grossen Rates, des Staatsrates und des Kantonsgerichtes.
Art. 4 Wappen
Gespalten von Silber und Rot mit dreizehn pfahlweise vier, fünf, vier gestellten fünfstrahligen Sternen in gewechselten Farben.

Wappen Wallis matt

 

Art. 5 Sprachen
  1. Französisch und Deutsch sind die gleichwertigen Amtssprachen des Kantons.
  2. Jede Person kann sich in der Amtssprache ihrer Wahl an die kantonalen Behörden wenden.
  3. Kanton und Gemeinden fördern das Erlernen der Amtssprachen und den Sprachaustausch zwischen den französisch- und deutschsprachigen Regionen.
  4. Sie fördern die Dialekte und die Patois.
  5. Sie fördern die Gebärdensprachen.
  6. Sie ermutigen die Initiativen der anderen Sprachgemeinschaften.
Art. 6 Staatsziele
  1. Der Kanton gewährleistet die Grundrechte und tritt für das Gemeinwohl, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den sozialen Frieden, die Sicherheit und die Erhaltung der natürlichen Ressourcen ein.
  2. Er verteidigt seine Rechte und Interessen in der Eidgenossenschaft.
Art. 7 Kantonaler Zusammenhalt
  1. Der Kanton achtet auf seine Einheit und seine Vielfalt. Er berücksichtigt seine sprachlichen, kulturellen, geographischen und regionalen Besonderheiten.
  2. Kantonale Verwaltungsdienststellen und öffentlich-rechtliche Institutionen sind in den Regionen verteilt.
  3. Der Kanton fördert jede Form von Solidarität.
Art. 8 Rechtsstaatliche Grundsätze
  1. Das Handeln des Staates beruht auf dem Recht.
  2. Es liegt im öffentlichen Interesse und folgt den Grundsätzen von Treu und Glauben und der Verhältnismässigkeit.
Art. 9 Aussenbeziehungen
Der Kanton arbeitet mit Bund und Kantonen sowie mit allen Regionen zusammen, die mit ihm gemeinsame Interessen teilen.
Art. 10 Persönliche Pflichten und Verantwortung
  1. Jede Person hat, nach ihren Möglichkeiten, die Pflichten zu erfüllen, die ihr Verfassung und Gesetzgebung auferlegen.
  2. Sie nimmt ihre Verantwortung gegenüber sich selber, der Gemeinschaft sowie den heutigen und zukünftigen Generationen wahr.
  3. Sie sorgt für eine angemessene Nutzung der öffentlichen Güter und Dienstleistungen und der natürlichen Ressourcen.

2. GRUNDRECHTE

Art. 11 Menschenwürde
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie muss geachtet und geschützt werden.
Art. 12 Rechtsgleichheit und Diskriminierungsverbot
  1. Alle Personen sind vor dem Gesetz gleich.
  2. Niemand darf diskriminiert werden.
  3. Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.
Art. 13 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben
Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.
Art. 14 Recht auf Leben, persönliche Freiheit und ein würdiges Lebensende
Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, auf persönliche Freiheit, insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit, sowie auf ein würdiges und frei gewähltes Lebensende.
Art. 15 Kinderrechte
  1. Jedes Kind hat in Familie und Gesellschaft unveräusserliche Rechte auf Wachstum, Entfaltung und Integration sowie auf Schutz seiner Integrität vor jeder Form von Gewalt.
  2. Das Wohl des Kindes, sein Recht auf Beteiligung und sein Anspruch auf rechtliches Gehör sind bei allen Entscheidungen oder Verfahren, die es betreffen, ab Kleinkindalter gewährleistet.
  3. Jedes Kind hat Anspruch auf angemessene wirtschaftliche und soziale Unterstützung.
  4. Ein Kind mit Behinderungen hat das Recht auf Teilnahme am regulären Schulunterricht durch geeignete schulische Massnahmen, soweit dies möglich ist und dem Kindeswohl dient.
  5. Die digitalen Aktivitäten eines Kindes dürfen nicht im Interesse Dritter ausgenutzt werden. Sein neutraler Zugang zu Informationen ist gewährleistet.
Art. 16 Rechte von Menschen mit Behinderungen
  1. Das Recht von Menschen mit Behinderungen auf eine volle und wirksame Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und auf die freie Ausübung ihrer Autonomie ist gewährleistet.
  2. Das Recht auf Zugang zum öffentlichen Verkehr und zu Gebäuden, Einrichtungen, Informationen und Dienstleistungen, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, ist gewährleistet.
  3. Das Recht von Menschen mit Behinderungen auf angemessene Vorkehrungen, die für die Wahrnehmung oder Ausübung ihrer Grundrechte erforderlich sind, ist gewährleistet.
  4. Im Umgang mit den Behörden haben Menschen mit Behinderungen das Recht, in einer an ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten angepassten Form Informationen zu erhalten und zu kommunizieren, insbesondere in Gebärdensprache und Brailleschrift, ohne zusätzliche Kosten.
Art. 17 Rechte älterer Menschen
  1. Jede ältere Person hat Anspruch auf besonderen Schutz ihrer Würde, ihrer Integrität, ihrer Autonomie und ihrer Wahlfreiheit.
  2. Sie hat Anspruch auf volle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und auf Ausübung ihrer Rechte.
Art. 18 Recht auf Inklusion und Integration
  1. Das Recht auf Inklusion und Integration ist gewährleistet.
  2. Kanton und Gemeinden ergreifen Massnahmen, um allen Menschen eine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.
Art. 19 Recht auf Hilfe in Notlagen
Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind.
Art. 20 Recht auf menschliche Interaktion
Jede Person hat das Recht auf Interaktion mit einem Menschen in Situationen, die für die Wahrung ihrer Rechte wesentlich sind.
Art. 21 Recht auf eine gesunde Umwelt
Jede Person hat das Recht, in einer gesunden, sauberen und nachhaltigen Umwelt zu leben.
Art. 22 Schutz der Privatsphäre
  1. Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung, ihres Briefverkehrs sowie der Beziehungen und Aktivitäten, die sie über Post- und alle Formen des Telekommunikationsverkehrs herstellt, einschliesslich des Rechts, nicht unrechtmässig überwacht zu werden.
  2. Jede Person hat das Recht, ihre persönlichen Daten zu kontrollieren. Sie hat insbesondere das Recht, davor geschützt zu werden, dass ihre persönlichen Daten ohne ihre Einwilligung verwendet werden. Dieses Recht umfasst insbesondere die Einsicht in diese Daten, die Berichtigung unrichtiger Daten und die Vernichtung ungeeigneter oder unnötiger Daten.
  3. Der Datenschutz wird durch eine unabhängige und unparteiische Behörde gewährleistet.
Art. 23 Recht auf Ehe und Familie
Das Recht, eine Ehe zu schliessen, eine Familie zu gründen oder eine andere Lebensform zu wählen, ist gewährleistet.
Art. 24 Mutterschaft
Jede Frau hat Anspruch auf materielle Sicherheit vor und nach der Niederkunft.
Art. 25 Glaubens- und Gewissensfreiheit
  1. Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet.
  2. Jede Person hat das Recht, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen.
  3. Jede Person hat das Recht, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören und religiösem Unterricht zu folgen.
  4. Niemand darf gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen.
Art. 26 Recht auf Bildung
  1. Das Recht auf Bildung und Ausbildung ist gewährleistet.
  2. Jede Person hat Anspruch auf einen ausreichenden, ihren Fähigkeiten entsprechenden, unentgeltlichen Grundschulunterricht.
  3. Jede Person, die nicht über die notwendigen finanziellen Mittel für eine anerkannte Ausbildung verfügt, hat Anspruch auf Unterstützung durch den Kanton.
  4. Jede Person, die nicht über die Kenntnisse und Kompetenzen verfügt, die für eine minimale soziale und berufliche Integration notwendig sind, hat Anspruch auf geeignete Ausbildungsmassnahmen.
Art. 27 Sprachenfreiheit
Die Sprachenfreiheit ist gewährleistet.
Art. 28 Recht auf Information und Transparenz
  1. Jede Person hat das Recht, mit den Behörden zu kommunizieren und amtliche Informationen auf möglichst genaue, vollständige, klare und schnelle Weise zu erhalten, ohne verpflichtet zu sein, ausschliesslich eine bestimmte Technologie zu verwenden.
  2. Jede Person hat das Recht auf Zugang zu amtlichen Unterlagen und öffentlichen Daten, sofern kein überwiegendes öffentliches oder privates Interesse entgegensteht.
Art. 29 Schutz der Whistleblower
Jede Person, die in gutem Glauben und zur Wahrung des öffentlichen Interesses der zuständigen Stelle mutmasslich rechtswidriges Verhalten meldet, wird von den Behörden besonders geschützt.
Art. 30 Digitale Integrität und Identität
  1. Jede Person hat das Recht auf digitale Integrität, einschliesslich der Möglichkeit, frei über digitale Technologien zu interagieren.
  2. Jede Person hat Anspruch auf einen offenen und diskriminierungsfreien Zugang zum Internet.
  3. Jede Person hat das Recht, ihre digitale Identität zu kontrollieren und über sie zu verfügen, insbesondere zum Zweck der Identifizierung und des Zugangs zu Dienstleistungen.
Art. 31 Recht auf öffentliche Dienstleistungen
Jede Person hat das Recht auf angemessene Vorkehrungen, die den Zugang zu und die Nutzung von öffentlichen Gütern und Dienstleistungen ermöglichen.
Art. 32 Kunst, Wissenschaft und Teilhabe am kulturellen Leben
  1. Die Freiheit der Kunst ist gewährleistet.
  2. Die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und Forschung ist gewährleistet.
  3. Jede Person hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen und sich an den Künsten zu erfreuen.
  4. Jede Person hat das Recht, an den Errungenschaften des wissenschaftlichen Fortschritts teilzuhaben.
Art. 33 Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit
  1. Die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit ist gewährleistet.
  2. Jede Person hat das Recht, Versammlungen oder Demonstrationen zu organisieren, daran teilzunehmen oder ihnen fernzubleiben.
  3. Versammlungen und Demonstrationen auf öffentlichem Grund können durch Gesetz oder Gemeindereglement einer Bewilligungspflicht unterstellt werden.
Art. 34 Eigentumsgarantie
  1. Das Eigentum ist gewährleistet.
  2. Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen, werden voll entschädigt.
Art. 35 Wirtschaftsfreiheit
  1. Die Wirtschaftsfreiheit ist gewährleistet.
  2. Sie umfasst insbesondere die freie Wahl des Berufes sowie den freien Zugang zu einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und deren freie Ausübung.
Art. 36 Koalitionsfreiheit
  1. Die Koalitionsfreiheit ist gewährleistet.
  2. Arbeitskonflikte werden grundsätzlich durch Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern auf der Grundlage von Gesamtarbeitsverträgen oder durch Vermittlung beigelegt.
  3. Streik und Aussperrung sind zulässig, wenn sie Arbeitsbeziehungen betreffen und wenn keine Verpflichtungen entgegenstehen, den Arbeitsfrieden zu wahren oder Schlichtungsverhandlungen zu führen.
  4. Das Gesetz kann bestimmten Kategorien von Personen den Streik verbieten.
Art. 37 Politische Rechte
  1. Die politischen Rechte sind gewährleistet.
  2. Die Garantie der politischen Rechte schützt die freie Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe.
Art. 38 Verfahrensgarantien
Die in der Bundesverfassung und dem für die Schweiz verbindlichen Völkerrecht verankerten Verfahrensrechte sind gewährleistet.
Art. 39 Übernahme des übergeordneten Rechts
Die in der Bundesverfassung und dem für die Schweiz verbindlichen Völkerrecht verankerten Grundrechte sind ebenfalls gewährleistet.
Art. 40 Verwirklichung der Grundrechte
  1. Die Grundrechte müssen in der ganzen Rechtsordnung eingehalten, geschützt und verwirklicht werden.
  2. Wer eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, ist verpflichtet, die Grundrechte einzuhalten, zu schützen und zu verwirklichen.
  3. Die Behörden sorgen dafür, dass die Grundrechte, soweit sie sich dazu eignen, auch unter Privaten wirksam werden.
Art. 41 Einschränkungen von Grundrechten
  1. Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen in einem Gesetz im formellen Sinn vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr.
  2. Einschränkungen von Grundrechten müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein.
  3. Einschränkungen von Grundrechten müssen verhältnismässig sein.
  4. Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar.

3. POLITISCHE RECHTE

3.1. Allgemeine Bestimmungen

Art. 42 Inhalt der politischen Rechte
Gegenstand der politischen Rechte sind die Beteiligung an Wahlen und Abstimmungen, die Wählbarkeit, die Ergreifung und das Unterzeichnen von Initiativ- und Referendumsbegehren sowie von Volksmotionen.
Art. 43 Inhaberinnen und Inhaber der politischen Rechte
    1. Stimmberechtigt in Gemeindeangelegenheiten sind:
      • Schweizerinnen und Schweizer, die das 18. Altersjahr erreicht haben und in der Gemeinde wohnhaft sind;
      • Ausländerinnen und Ausländer, die das 18. Altersjahr erreicht haben, eine Niederlassungsbewilligung besitzen, seit mindestens einem Jahr im Kanton wohnhaft sind und in der Gemeinde ihren Wohnsitz haben.
VARIANTE (vgl. auch art. 190)

1 Stimmberechtigt in Gemeindeangelegenheiten sind Schweizerinnen und Schweizer, die das 18. Altersjahr erreicht haben und in der Gemeinde wohnhaft sind.

  • Stimmberechtigt in Kantonsangelegenheiten sind Schweizerinnen und Schweizer, die das 18. Altersjahr erreicht haben und im Kanton wohnhaft sind.
  • Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, die ihre politischen Rechte in eidgenössischen Angelegenheiten im Kanton ausüben, können die Walliser Mitglieder des Ständerates wählen.
  • Das Gesetz kann keine weiteren Einschränkungen der politischen Rechte vorsehen.

3.2. Ausübung der politischen Rechte

Art. 44 Wahlen
  1. Die Stimmberechtigten in Gemeindeangelegenheiten wählen:
    • die Mitglieder des Generalrates;
    • die Mitglieder des Gemeinderates;
    • die Gemeindepräsidentinnen oder -präsidenten und die Gemeindevizepräsidentinnen oder präsidenten.
  2. Die Stimmberechtigten in Kantonsangelegenheiten wählen:
    • die Mitglieder des Grossen Rates;
    • die Mitglieder des Staatsrates;
    • die Walliser Mitglieder des Ständerates.
  3. Jede Person, die für ein öffentliches Amt kandidiert, ist verpflichtet, das Mandat, für das sie gewählt wurde, auszuüben, ausser es besteht ein wichtiger Grund.
Art. 45 Wahl in den Ständerat
  1. Die Wahl der Walliser Mitglieder des Ständerates erfolgt nach dem Majorzverfahren in zwei Wahlgängen, mit einem einzigen Wahlzettel. Der Wahlkreis ist der Kanton.
  2. Der erste Wahlgang findet gleichzeitig mit der Wahl des Nationalrates statt. Der zweite Wahlgang findet am darauffolgenden dritten Sonntag statt.
  3. Entspricht die Anzahl der Kandidierenden im zweiten Wahlgang oder bei einer Ersatzwahl der Anzahl zu besetzender Sitze, so erfolgt eine stille Wahl.
  4. Besteht ein langfristiges Ungleichgewicht in der Vertretung der Sprachregionen bei den Walliser Mitgliedern des Ständerates, kann das Gesetz eine zeitlich befristete Massnahme zur Korrektur dieses Ungleichgewichts vorsehen.
Art. 46 Gesetzesinitiative
  1. 4000 Stimmberechtigte in Kantonsangelegenheiten können beim Grossen Rat eine Gesetzesinitiative einreichen. Die Frist für die Unterschriftensammlung beträgt ein Jahr.
  2. Die Gemeinden sind unter gesetzlich festgelegten Bedingungen ebenfalls berechtigt, beim Grossen Rat eine Gesetzesinitiative einzureichen.
  3. Die Gesetzesinitiative kann den Erlass, die Abänderung oder die Aufhebung eines Gesetzes oder eines anderen dem Referendum unterliegenden Beschlusses verlangen.
  4. Sie kann die Form des ausgearbeiteten Entwurfs oder der allgemeinen Anregung haben.
Art. 47 Gültigkeit der Initiative
Der Staatsrat erklärt vor Beginn der Unterschriftensammlung und ohne Verzug die Initiative für gültig, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • sie beachtet übergeordnetes Recht;
  • sie wahrt die Einheit der Form und der Materie;
  • sie ist durchführbar.
Art. 48 Verfahren
  1. Stimmt der Grosse Rat einer Initiative in der Form des ausgearbeiteten Entwurfs zu, findet eine Volksabstimmung nur statt, wenn eine Mehrheit des Grossen Rates dies verlangt oder das Referendum ergriffen wird.
  2. Stimmt der Grosse Rat einer Initiative in der Form der allgemeinen Anregung zu, arbeitet er die verlangte Revision aus.
  3. Lehnt der Grosse Rat eine Initiative ab, wird sie spätestens zwei Jahre nach Einreichung dem Volk zur Abstimmung unterbreitet. Der Grosse Rat kann einer Initiative in der Form des ausgearbeiteten Entwurfs einen Gegenentwurf gegenüberstellen. In diesem Fall kann er die Frist um ein Jahr verlängern.
  4. Die Stimmberechtigten in Kantonsangelegenheiten stimmen gleichzeitig über die Initiative und den Gegenentwurf ab. Sie können beiden Vorlagen zustimmen und in der Stichfrage angeben, welcher Vorlage sie den Vorzug geben, falls beide angenommen werden.
Art. 49 Fakultatives Referendum
  1. 3000 Stimmberechtigte in Kantonsangelegenheiten können innert neunzig Tagen ab Veröffentlichung im Amtsblatt verlangen, dass dem Volk zur Abstimmung unterbreitet werden:
    • die Gesetze, ausgenommen die Ausführungsgesetze;
    • die Konkordate, Verträge und Konventionen, die Rechtsnormen enthalten;
    • die Beschlüsse des Grossen Rates, welche eine einmalige ausserordentliche Ausgabe, die einen im Gesetz festgelegten Betrag übersteigt, zur Folge haben.
  2. Die Gemeinden sind unter gesetzlich festgelegten Bedingungen ebenfalls berechtigt, eine Volksabstimmung zu verlangen.
  3. Das Referendum kann auch von der Mehrheit des Grossen Rates verlangt werden.
Art. 50 Volksmotion
  1. 200 Stimmberechtigte in Kantonsangelegenheiten können zuhanden des Grossen Rates eine Volksmotion einreichen.
  2. Der Grosse Rat behandelt sie wie eine Motion eines seiner Mitglieder.
Art. 51 Initiative und Referendum auf Gemeindeebene
  1. Den Stimmberechtigten in Gemeindeangelegenheiten steht das Initiativrecht auf Gemeindeebene zu. In Gemeinden mit einem Generalrat steht ihnen zusätzlich das Referendumsrecht zu.
  2. Das Gesetz regelt die Ausübung dieser Rechte.

3.3.Beteiligung am öffentlichen Leben

Art. 52 Politische Bildung und Ausübung der politischen Rechte
  1. Der Kanton bietet Staatskundeunterricht für Kinder und Jugendliche an.
  2. Kanton und Gemeinden schaffen Instrumente für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen am politischen Leben.
  3. Sie fördern und erleichtern die Ausübung der politischen Rechte, insbesondere durch die politische Bildung.
  4. Der Kanton trägt innerhalb der Schweiz die Kosten der postalischen Zustellung für die briefliche Stimmabgabe.
Art. 53 Organisationen der Zivilgesellschaft und Freiwilligenarbeit
  1. Kanton und Gemeinden anerkennen die Rolle und Bedeutung der Organisationen der Zivilgesellschaft und der Freiwilligenarbeit in der Gesellschaft.
  2. Sie können Organisationen der Zivilgesellschaft für ihre Aktivitäten von allgemeinem Interesse unterstützen. Sie respektieren deren Autonomie, können ihnen Aufgaben übertragen und sie konsultieren.
  3. Sie fördern die Freiwilligenarbeit.
Art. 54 Parteien und andere politische Vereine
  1. Parteien und andere politische Vereine tragen zur Meinungs- und Willensbildung des Volkes bei und fördern die öffentliche Mitwirkung.
  2. Sie werden von Kanton und Gemeinden insbesondere für die Ausarbeitung gesetzgeberischer Erlasse konsultiert.
Art. 55 Transparenz der Finanzierung des politischen Lebens
Das Gesetz gewährleistet die Transparenz der Finanzierung des politischen Lebens.

4. KANTONALE BEHÖRDEN

4.1.Allgemeine Bestimmungen

Art. 56 Kantonale Behörden
Die kantonalen Behörden sind der Grosse Rat, der Staatsrat und die Justizbehörden. Ihre Organisation richtet sich nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung.
Art. 57 Wählbarkeit
  1. Die in Kantonsangelegenheiten Stimmberechtigten können in den Grossen Rat und in den Staatsrat gewählt werden.
  2. Vorbehalten bleibt die Wählbarkeit der Mitglieder der Justizbehörden.
Art. 58 Amtsdauer
  1. Die Amtsdauer der Mitglieder des Grossen Rates und des Staatsrates entspricht der Amtsdauer der Mitglieder des Nationalrates.
  2. Vorbehalten bleibt die Amtsdauer der Mitglieder der Justizbehörden.
Art. 59 Unvereinbarkeiten
  1. Niemand darf gleichzeitig dem Grossen Rat, dem Staatsrat oder einer Justizbehörde angehören. Nichtständige Mitglieder einer Justizbehörde können jedoch dem Grossen Rat angehören.
  2. Es können nicht Mitglieder des Grossen Rates sein:
    • das Personal mit Entscheid- oder Polizeibefugnissen der kantonalen Verwaltung und der Justizbehörden, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Grossen Rates sowie die engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Staatsrates und der Staatskanzlei. Das Gesetz umschreibt diese Kategorien;
    • Personen, die eine leitende Funktion oder ein Verwaltungsratsmandat ausüben in selbständigen Anstalten des öffentlichen Rechts und in Unternehmen mit einem Gesellschaftskapital, an dem der Kanton eine Mehrheitsbeteiligung hat.
  3. Das Amt eines Mitglieds des Staatsrates ist unvereinbar mit jedem anderen Wahlmandat und mit jeder anderen Erwerbstätigkeit.
  4. Mitglieder derselben Familie oder einer anderen dauerhaften Lebensgemeinschaft dürfen nicht gleichzeitig im Staatsrat oder in derselben Justizbehörde Einsitz nehmen. Das Gesetz regelt den Grad der Unvereinbarkeit.
  5. Das Gesetz kann weitere Unvereinbarkeiten vorsehen.
Art. 60 Interessenbindungen
  1. Die Mitglieder des Grossen Rates, des Staatsrates und der Justizbehörden sind verpflichtet, ihre Interessenbindungen offenzulegen.
  2. Die Interessenbindungen werden in öffentlichen Registern eingetragen, die laufend aktualisiert werden.
Art. 61 Ausstand
Wer öffentliche Aufgaben wahrnimmt, hat in den Ausstand zu treten, wenn ein unmittelbares persönliches Interesse an einem zu beratenden Geschäft besteht. Ausgenommen ist die Rechtsetzung im Grossen Rat.
Art. 62 Immunität
  1. Die Mitglieder des Grossen Rates, des Staatsrats und der Justizbehörden können für ihre Äusserungen im Grossen Rat oder in dessen Organen nicht strafrechtlich verfolgt werden.
  2. Das Gesetz regelt die Voraussetzungen für die Aufhebung der Immunität.
Art. 63 Information
Die Behörden informieren die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeit.

4.2.Grosser Rat

4.2.1.Allgemeines
Art. 64 Funktion
Der Grosse Rat ist unter Vorbehalt der Rechte des Volkes die oberste Behörde des Kantons. Er übt die gesetzgebende Gewalt aus.
Art. 65 Zusammensetzung
Der Grosse Rat besteht aus 130 Abgeordneten und 130 Suppleantinnen und Suppleanten.
Art. 66 Wahl
  1. Die Mitglieder des Grossen Rates werden im Proporzverfahren gewählt.
  2. Das Kantonsgebiet ist in sechs Wahlkreise unterteilt, die um Brig, Visp, Siders, Sitten, Martinach und Monthey organisiert sind. Das Gesetz legt die Wahlkreise fest.
  3. Die Sitze werden im Verhältnis zur Wohnbevölkerung auf die Wahlkreise verteilt.
  4. Das Gesetz kann einen Mindestanteil an Stimmen festlegen, der in einem Wahlkreis erreicht werden muss, damit eine Liste bei der Sitzverteilung berücksichtigt wird. Dieser Anteil beträgt höchstens fünf Prozent.
Art. 67 Unabhängigkeit
Die Mitglieder des Grossen Rates üben ihr Amt frei aus.
Art. 68 Organisation
  1. Der Grosse Rat tagt regelmässig in ordentlicher Sitzung. Er tritt auf Antrag von 20 Abgeordneten zu einer ausserordentlichen Sitzung zusammen.
  2. Der Grosse Rat kann nur in Anwesenheit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder beraten.
  3. Die Abgeordneten können politische Fraktionen bilden.
  4. Die Mitglieder des Grossen Rates haben Anspruch auf eine Entschädigung.
  5. Das Gesetz legt die Organisation des Grossen Rates sowie seine Beziehungen zum Staatsrat und zu den Justizbehörden fest. Im Übrigen organisiert sich der Grosse Rat selbständig.
Art. 69 Kommissionen
  1. Der Grosse Rat bezeichnet ständige oder nicht ständige Kommissionen, welche seine Beratungen vorbereiten.
  2. Er sorgt bei den Funktionen und Verantwortlichkeiten für eine angemessene Vertretung der politischen Fraktionen, von Frauen und Männern sowie der Regionen.
Art. 70 Informationsrecht
  1. Die Mitglieder des Grossen Rates haben das Recht, vom Staatsrat und von der Kantonsverwaltung über jede Angelegenheit des Kantons Auskunft zu erhalten und Unterlagen einzusehen, soweit dies für die Ausübung ihres Amtes erforderlich ist.
  2. Die gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen bleiben vorbehalten.
4.2.2.Kompetenzen
Art. 71 Rechtsetzungskompetenzen
  1. Der Grosse Rat arbeitet die Verfassungsbestimmungen, die Gesetze und die dringlichen Gesetze aus.
  2. Er kann dem Staatsrat die Befugnis zum Erlass von Verordnungen übertragen, indem er deren Zweck und die ihren Inhalt bestimmenden Grundsätze festlegt. Die Delegation muss sich auf einen genau umschriebenen Bereich beziehen. Die Verordnungen können der Genehmigung des Grossen Rates unterstellt werden.
Art. 72 Dringlichkeitsrecht
  1. Gesetze, deren Inkrafttreten keinen Aufschub duldet, können von einer Zweidrittelmehrheit dringlich erklärt und sofort in Kraft gesetzt werden. Sie sind zu befristen.
  2. Wird zu einem dringlichen Gesetz die Volksabstimmung verlangt, so tritt dieses ein Jahr nach Annahme durch den Grossen Rat ausser Kraft, wenn es nicht innerhalb dieser Frist vom Volk angenommen wird.
  3. Ein dringliches Gesetz, das in einer Volksabstimmung nicht angenommen wird, kann nicht erneuert werden.
Art. 73 Finanzkompetenzen
Der Grosse Rat hat namentlich folgende Befugnisse:

  • er beschliesst den Voranschlag und genehmigt die Rechnung;
  • er beteiligt sich im gesetzlich festgelegten Umfang an der Finanzplanung;
  • er beschliesst die ausserordentlichen Ausgaben, bewilligt die Konzessionen und erteilt die Ermächtigung zu Liegenschaftstransaktionen, zur Aufnahme von Darlehen sowie zu Bürgschaften und anderen ähnlichen Sicherheiten, unter Vorbehalt der in der Verfassung oder im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen;
  • er setzt die Gehälter der Mitglieder der Justizbehörden und Angestellten des Kantons fest, unter Vorbehalt der im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen;
  • er legt die kantonalen Steuern und den Rahmen für die Gemeindesteuern fest.
Art. 74 Wahl- und Abberufungskompetenzen
  1. Der Grosse Rat entscheidet über die Gültigkeit der Wahl seiner Mitglieder.
  2. Er wählt und beruft ab:
    • die Richterinnen und Richter des Kantonsgerichtes;
    • die Mitglieder des Büros der Staatsanwaltschaft;
    • die Mitglieder des Justizrates, die nicht vom Gesetz bestimmt werden;
    • die Ombudsperson;
    • die Mitglieder der Aufsichts- und Kontrollbehörden.
  3. Das Gesetz kann dem Grossen Rat weitere Wahl- und Abberufungskompetenzen einräumen.
  4. Der Grosse Rat kann mit einer qualifizierten Zweidrittelmehrheit seiner Mitglieder die Abberufung der Mitglieder des Staatsrates vorschlagen. Der Entscheid muss innerhalb einer Frist von drei Monaten vom Volk bestätigt werden.
Art. 75 Oberaufsicht
Der Grosse Rat übt die Oberaufsicht aus über:

  • den Staatsrat und die Verwaltung;
  • die Justizbehörden;
  • den Justizrat;
  • die mit öffentlichen Aufgaben betrauten Organisationen und Personen.
Art. 76 Andere Kompetenzen
  1. Der Grosse Rat:
    • genehmigt die Verträge, Konkordate und Konventionen, unter Vorbehalt der Befugnisse des Volkes und des Staatsrates;
    • kann einer Volksinitiative einen Gegenentwurf gegenüberstellen;
    • gewährt Amnestie und Begnadigung;
    • übt die Rechte aus, die den Kantonen durch die Bundesverfassung vorbehalten sind;
    • erteilt das Kantonsbürgerrecht;
    • übt alle weiteren Kompetenzen aus, die ihm durch Verfassung oder Gesetzgebung übertragen werden.
  2. Er nimmt zudem diejenigen staatlichen Aufgaben wahr, die nicht einer anderen kantonalen Behörde übertragen sind.

4.3.Staatsrat

4.3.1.Allgemeines
Art. 77 Funktion
  1. Der Staatsrat ist die oberste vollziehende Behörde. Er führt die Kantonspolitik.
  2. Er vertritt den Kanton.
Art. 78 Zusammensetzung und Organisation
  1. Der Staatsrat besteht aus sieben Mitgliedern.
  2. Er fasst und vertritt seine Beschlüsse als Kollegialbehörde und organisiert sich selbständig.
Art. 79 Wahl
  1. Die Mitglieder des Staatsrates werden gleichzeitig mit den Mitgliedern des Grossen Rates gewählt.
  2. Der Wahlkreis ist der Kanton.
  3. Die Wahl erfolgt nach dem Majorzverfahren in zwei Wahlgängen, mit einem einzigen Wahlzettel.
  4. Ein Mitglied des Staatsrates wird aus den Stimmberechtigten in Kantonsangelegenheiten der Regionen Brig und Visp, eines aus jenen der Regionen Siders und Sitten und eines aus jenen der Regionen Martinach und Monthey gewählt.
Art. 80 Präsidium und Vizepräsidium
  1. Der Staatsrat ernennt alljährlich aus seinen Mitgliedern die Präsidentin oder den Präsidenten sowie die Vizepräsidentin oder den Vizepräsidenten. Legislaturperiode nicht erneut ausgeübt werden. Diese Ämter können während derselben
  2. Die Präsidentin oder der Präsident des Staatrates sorgt für die Kohärenz des Regierungshandelns.
4.3.2. Kompetenzen
Art. 81 Regierungsprogramm
  1. Der Staatsrat präsentiert dem Grossen Rat ein Regierungsprogramm, das die Ziele sowie die Mittel zur Zielerreichung umschreibt und den Zeitplan festlegt.
  2. Der Staatsrat kann das Programm abändern. Er unterbreitet die Änderungen dem Grossen Rat zur Kenntnisnahme.
  3. Anfang Jahr erstattet der Staatsrat dem Grossen Rat Bericht über den Stand der Umsetzung des Regierungsprogramms.
Art. 82 Leitung der Verwaltung
  1. Der Staatsrat leitet die Kantonsverwaltung und organisiert sie in Departemente gleicher Wichtigkeit.
  2. Jedes Mitglied des Staatsrates leitet ein Departement.
Art. 83 Rechtsetzungskompetenzen
  1. Der Staatsrat bereitet die Verfassungs- und Gesetzesentwürfe zuhanden des Grossen Rates vor.
  2. Er setzt Recht in Verordnungsform, soweit das Gesetz ihm diese Befugnis überträgt, und erlässt Ausführungsbestimmungen zum Bundesrecht, wenn dieses ausdrücklich seine Zuständigkeit festlegt.
  3. Er erlässt in Reglementsform die zur Anwendung kantonaler Gesetze notwendigen Bestimmungen.
Art. 84 Finanzkompetenzen
  1. Der Staatsrat unterbreitet dem Grossen Rat den Voranschlag, den Verwaltungsbericht und die Jahresrechnung des Kantons.
  2. Er beschliesst über die Ausgaben sowie den Erwerb und die Veräusserung öffentlichen Eigentums in den vom Gesetz vorgesehenen Grenzen.
Art. 85 Beschwerdeinstanz
Der Staatsrat entscheidet als Beschwerdeinstanz im Verwaltungsverfahren in gesetzlich festgelegten Fällen.
Art. 86 Aussenbeziehungen
  1. Der Staatsrat handelt interkantonale und grenzübergreifende Vereinbarungen aus und unterzeichnet sie, unter Vorbehalt der Zuständigkeiten des Grossen Rates. Er informiert den Grossen Rat regelmässig über die laufenden Verhandlungen.
  2. Er nimmt Stellung zu den Vernehmlassungsvorlagen des Bundes.
  3. Der Staatsrat und die Walliser Mitglieder der eidgenössischen Räte setzen nach gesetzlich festgelegten Modalitäten eine ständige Kommission für den Informationsaustausch über Bundesangelegenheiten ein.
Art. 87 Aufsicht über die Gemeinden und die Burgergemeinden
  1. Der Staatsrat übt die Aufsicht über die Gemeinden und die Burgergemeinden aus.
  2. Er kann Mitglieder des Gemeinderates und des Burgerrates abberufen.
  3. Das Gesetz bestimmt die Gründe und das Verfahren für die Abberufung.
Art. 88 Ernennungen
  1. Der Staatsrat nimmt die Ernennungen, die nicht einer anderen Behörde vorbehalten sind, auf der Grundlage der Kompetenzen und Erfahrung der Kandidatinnen und Kandidaten vor. Er achtet auf eine ausgewogene Vertretung der Regionen sowie von Frauen und Männern.
  2. Er wendet dieselben Grundsätze bei den Verwaltungsräten der öffentlichen Institutionen und Unternehmen an und achtet darauf, eine ausgewogene Vertretung der politischen Kräfte des Grossen Rates zu gewährleisten.
Art. 89 Öffentliche Ordnung und Sicherheit
Der Staatsrat ist für die öffentliche Ordnung und Sicherheit verantwortlich.
Art. 90 Ausserordentliche Lagen
  1. Der Staatsrat kann alle erforderlichen Massnahmen ergreifen, um schwerwiegende Gefahren abzuwenden oder anderen Ausnahmesituationen zu begegnen. Die Gültigkeitsdauer dieser Massnahmen ist zeitlich begrenzt.
  2. Die ausserordentlichen Massnahmen müssen innerhalb von sechs Monaten vom Grossen Rat ratifiziert werden, andernfalls können sie nicht erneuert werden.
  3. Das Gesetz legt das Verfahren für die Ratifizierung fest.
Art. 91 Mediation in Verwaltungsangelegenheiten
  1. Durch Gesetz wird eine unabhängige kantonale Ombudsstelle für die aussergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten zwischen der kantonalen Verwaltung und den Bürgerinnen und Bürgern errichtet.
  2. Der Grosse Rat wählt die Ombudsperson.

4.4. Justizbehörden

Art. 92 Organisation der Justizbehörden
  1. Die Justizbehörden umfassen:
    • die Gerichtsbehörden in Verfassungs-, Verwaltungs-, Zivil- und Strafsachen;
    • die Staatsanwaltschaft.
  2. Das Gesetz kann spezialisierte Gerichtsbehörden einsetzen.
  3. Die Justizbehörden können Beisitzerinnen und Beisitzer beiziehen, die über spezifische Fachkenntnisse verfügen.
  4. Das Gesetz regelt die Organisation und die Zuständigkeiten der Justizbehörden sowie das Verfahren. Die folgenden Bestimmungen bleiben vorbehalten.
Art. 93 Unabhängigkeit
  1. Die Justizbehörden sind in ihrer rechtsprechenden Tätigkeit unabhängig und nur dem Recht verpflichtet.
  2. Die Mitglieder der Justizbehörden üben ihr Amt unabhängig und unparteiisch aus.
  3. Sie dürfen neben ihrem Amt keine Tätigkeit ausüben, die ihre Unabhängigkeit in Frage stellen oder den Anschein von Befangenheit erwecken kann. Die Bestimmungen über die Zusammensetzung von Gerichten, die Beisitzerinnen und Beisitzer beiziehen, bleiben vorbehalten.
Art. 94 Kantonsgericht
  1. Das Kantonsgericht ist die oberste Behörde in Verfassungs-, Verwaltungs-, Zivil-, und Strafsachen.
  2. Es ernennt die Mitglieder seines Präsidiums aus den hauptamtlichen Richterinnen und Richtern.
  3. Dem Kantonsgericht ist ein Verfassungsgericht angegliedert. Das Verfassungsgericht:
    • überprüft auf Antrag die Übereinstimmung kantonaler und kommunaler Bestimmungen mit dem übergeordneten Recht;
    • beurteilt auf Beschwerde und in letzter kantonaler Instanz: – Streitigkeiten betreffend die Ausübung der politischen Rechte auf kantonaler und kommunaler Ebene; – Zuständigkeitskonflikte unter Behörden; – die Gültigkeit von Volksinitiativen.
    • behandelt weitere Streitigkeiten, die ihm durch das Gesetz übertragen werden.
Art. 95 Erstinstanzliche Gerichte
  1. Das Gesetz sieht erstinstanzliche Gerichte für Zivil- und Strafsachen vor und legt deren territoriale Organisation und Zuständigkeiten fest.
  2. Es sieht familienrechtliche Abteilungen vor, die den erstinstanzlichen Gerichten angegliedert sind und über Angelegenheiten des Familienrechts entscheiden. Das Gesetz kann ihnen weitere Zuständigkeiten übertragen.
Art. 96 Friedensrichterämter
  1. Auf dem Kantonsgebiet werden Friedensrichterämter geschaffen. Das Gesetz legt ihre Zuständigkeiten fest.
  2. Ihre Mitglieder werden von der übergeordneten Gerichtsbehörde ernannt.
Art. 97 Staatsanwaltschaft
Für den gesamten Kanton wird eine unabhängige Staatsanwaltschaft geschaffen.
Art. 98 Ernennung, Wahl und Abberufung
  1. Die Mitglieder der Justizbehörden müssen ihren Wohnsitz in der Schweiz haben. Die gewählten Mitglieder müssen zudem über das Schweizer Bürgerrecht verfügen. Das Gesetz legt eine obere Altersgrenze für die Ausübung des Amtes fest.
  2. Die Wahl beziehungsweise Ernennung der Mitglieder der Justizbehörden ist nicht an politische Kriterien gebunden. Sie stützt sich im Wesentlichen auf die juristische Ausbildung, die Kompetenzen und die Erfahrung der Kandidatinnen und Kandidaten.
  3. Die Kantonsrichterinnen und Kantonsrichter sowie die Mitglieder des Büros der Staatsanwaltschaft werden durch den Grossen Rat mit einer Zweidrittelmehrheit gewählt und abberufen. Im Übrigen regelt das Gesetz die Gründe und das Verfahren für eine Abberufung.
Art. 99 Justizrat
  1. Der Justizrat ist eine unabhängige Behörde, die die administrative und disziplinarische Aufsicht über die Justizbehörden ausübt. Dem Grossen Rat ist die ausschliessliche Zuständigkeit vorbehalten, die von ihm gewählten Mitglieder der Justizbehörden aus den im Gesetz vorgesehenen Gründen abzuberufen.
  2. Der Justizrat wählt die Kandidatinnen und Kandidaten für das Kantonsgericht und das Büro der Staatsanwaltschaft aus und schlägt sie dem Grossen Rat zur Wahl vor.
  3. Im Übrigen regelt das Gesetz seine Zusammensetzung, Organisation und Funktionsweise.
Art. 100 Restaurative Justiz und aussergerichtliche Streitbeilegungsverfahren
Der Kanton fördert die restaurative Justiz und die Mediation sowie andere aussergerichtliche Streitbeilegungsverfahren.

5. REGIONEN, GEMEINDEN UND BURGERGEMEINDEN

5.1.Regionen

Art. 101 Grundsätze
  1. Das Kantonsgebiet setzt sich aus sechs um Brig, Visp, Siders, Sitten, Martinach und Monthey organisierten Regionen zusammen.
  2. Das Gesetz bestimmt das Gebiet der Regionen, ihre Organisation und die Befugnisse der zuständigen Organe sowie die Art ihrer Finanzierung.
Art. 102 Regionalkonferenz
  1. Jede Region hat eine Regionalkonferenz, die sich aus den Präsidentinnen und Präsidenten der Gemeinden der Region und der Regionalkoordinatorin oder dem Regionalkoordinator zusammensetzt.
  2. Die Regionalkonferenz erleichtert die interkommunale Zusammenarbeit, prüft die Zweckmässigkeit von wichtigen Projekten mit interkommunaler Bedeutung, koordiniert sie und beteiligt sich gegebenenfalls an deren Realisierung. Sie fördert eine harmonische Raumentwicklung und optimiert die Beziehungen zwischen den Gemeinden und dem Kanton.
  3. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.
Art. 103 Regionalkoordinatorin oder Regionalkoordinator
  1. Die Regionalkoordinatorin oder der Regionalkoordinator wird von den Präsidentinnen und Präsidenten sowie von den Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten der Gemeinden der Region für die Dauer der Legislatur ernannt.
  2. Die Regionalkoordinatorin oder der Regionalkoordinator leitet die Regionalkonferenz. Im Übrigen legt das Gesetz die Aufgaben und Funktionen fest.
  3. Das Amt der Regionalkoordinatorin oder des Regionalkoordinators ist mit jedem öffentlichen Wahlmandat unvereinbar.

5.2.Gemeinden

5.2.1.Allgemeines
Art. 104 Rechtsform, Gebietsgarantie und Gemeindeautonomie
  1. Die Gemeinden sind öffentlich-rechtliche Körperschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit.
  2. Das Gebiet und die Autonomie der Gemeinden sind in den Grenzen der Verfassung und des Gesetzes gewährleistet.
Art. 105 Aufgaben
  1. Die Gemeinden erfüllen die Aufgaben, die ihnen Verfassung und Gesetz übertragen. Sie können weitere Aufgaben übernehmen, soweit nicht Bund, Kanton oder andere Organisationen dafür ausschliesslich zuständig sind.
  2. Sie verwalten das Gemeindevermögen nachhaltig.
  3. Sie sorgen für das Wohlergehen der Bevölkerung, bieten ihr eine nachhaltige Lebensqualität, verfügen über lokale Dienste, die es ihnen ermöglichen, die gesetzlich festgelegten Leistungen zu erbringen, und fördern die öffentliche Mitwirkung.
  4. Sie achten auf die besonderen Bedürfnisse ihrer Dörfer und Quartiere.
Art. 106 Interkommunale Zusammenarbeit
  1. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben können die Gemeinden untereinander sowie mit benachbarten Körperschaften ausserhalb der Kantons- oder Landesgrenzen zusammenarbeiten.
  2. Der Kanton fördert und begünstigt die interkommunale Zusammenarbeit.
  3. Das Gesetz regelt die Rechtsform, die Organisation, die Finanzierung und die demokratische Kontrolle der interkommunalen Zusammenarbeit.
  4. Das Gesetz kann eine Zusammenarbeit vorschreiben, wenn sie für die Erfüllung bestimmter Aufgaben oder für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen sowie für eine gerechte Lastenverteilung zwischen den Gemeinden erforderlich ist.
Art. 107 Aufsicht des Kantons
  1. Die Gemeinden sind innerhalb der Schranken ihrer Autonomie der Aufsicht des Kantons unterstellt. Das Gesetz bestimmt die Art und Weise dieser Aufsicht.
  2. Die von den Gemeinden ausgearbeiteten Reglemente müssen vom Kanton genehmigt werden.
Art. 108 Steuerhoheit und Finanzausgleich
  1. Die Steuerhoheit der Gemeinden wird durch das Gesetz geregelt.
  2. Der Kanton trifft Massnahmen, um die Auswirkungen der Ungleichheiten zwischen den Gemeinden zu vermindern. Er richtet insbesondere einen Finanzausgleich ein. Das Gesetz legt die Beitrags- und Unterstützungskriterien fest.
5.2.2.Behörden
Art. 109 Organisation
  1. Jede Gemeinde verfügt über:
    • eine gesetzgebende Behörde: die Gemeindeversammlung oder der Generalrat;
    • eine ausführende Behörde: der Gemeinderat.
  2. Das Gesetz regelt die Organisation der Gemeinden und ihrer Behörden.
Art. 110 Gemeindeversammlung
  1. Die Stimmberechtigten in Gemeindeangelegenheiten sind berechtigt, an der Gemeindeversammlung teilzunehmen.
  2. Die Gemeindeversammlung entscheidet insbesondere über:
    • Gemeindereglemente, ausser in den durch das Gesetz bestimmten Ausnahmen;
    • wichtige Vorhaben betreffend Verkauf, Gewährung von beschränkten dinglichen Rechten, Tausch, Verpachtung, Veräusserung von Vermögenswerten, Gewährung von Darlehen, Kreditaufnahmen, Leistung von Bürgschaften, Erteilung und Übertragung von Wasserkraftkonzessionen;
    • neue nicht gebundene Ausgaben, deren Höhe durch das Gesetz festzulegen ist;
    • den Voranschlag, über den Rubrik für Rubrik abgestimmt werden kann;
    • die Rechnung.
Art. 111 Generalrat
  1. In Gemeinden mit mehr als 5’000 Einwohnerinnen und Einwohnern tritt der Generalrat an die Stelle der Gemeindeversammlung.
  2. Durch Volksabstimmung können die Stimmberechtigten in Gemeindeangelegenheiten auf die Schaffung eines Generalrats verzichten, oder, in Gemeinden mit weniger als 5’000 Einwohnerinnen und Einwohnern, einen Generalrat einführen.
  3. Der Generalrat übt mindestens die gleichen Rechte aus wie die Gemeindeversammlung.
Art. 112 Gemeinderat
  1. Der Gemeinderat besteht aus drei bis elf Mitgliedern. Ein Mitglied ist Präsidentin oder Präsident und eines ist Vizepräsidentin oder Vizepräsident.
  2. Der Gemeinderat hat folgende Befugnisse:
    • er besorgt die allgemeine Verwaltung der Gemeinde;
    • er entwirft die Gemeindereglemente und sorgt für deren Anwendung;
    • er vollzieht die eidgenössische und kantonale Gesetzgebung;
    • er ernennt das Personal;
    • er entwirft den Voranschlag;
    • er erstellt die Rechnung.
Art. 113 Wahl
  1. Die Mitglieder des Generalrates werden nach dem Proporzverfahren gewählt.
  2. Die Mitglieder des Gemeinderates werden nach dem Proporzverfahren gewählt. Die Stimmberechtigten in Gemeindeangelegenheiten können unter gesetzlich festgelegten Voraussetzungen eine Änderung des Wahlverfahrens beschliessen.
  3. Die Gemeindepräsidentin oder der Gemeindepräsident und die Gemeindevizepräsidentin oder der Gemeindevizepräsident werden im Majorzverfahren gewählt.
  4. Das Gesetz bestimmt die Modalitäten der Wahl und das Datum des Urnengangs.
Art. 114 Öffentlichkeit der Sitzungen
  1. Die Sitzungen der Gemeindeversammlung und des Generalrates sind öffentlich.
  2. Die Sitzungen des Gemeinderates sind nicht öffentlich.
  3. Das Gesetz regelt die Ausnahmen.
5.2.3.Gemeindefusionen, Reorganisation und Aufteilung der Gemeinden
Art. 115 Grundsätze
  1. Der Kanton fördert und unterstützt Gemeindefusionen.
  2. Zwei oder mehrere Gemeinden können auch ohne gemeinsame Grenze fusionieren.
  3. Der Vorschlag für eine Fusion kann durch die Gemeindebehörden, durch eine Volksinitiative auf Gemeindeebene oder durch den Kanton erfolgen.
Art. 116 Verfahren
  1. Die in Gemeindeangelegenheiten Stimmberechtigten der betroffenen Gemeinden beschliessen über die Fusion. Absatz 2 bleibt vorbehalten.
  2. Insoweit es die kommunalen, regionalen oder kantonalen Interessen erfordern, kann der Grosse Rat eine Fusion anordnen. Die betroffenen Gemeinden sind anzuhören.
  3. Die Bestimmungen über die Gemeindefusionen gelten sinngemäss auch für die Änderung von Gemeindegrenzen und für die Aufteilung von Gemeinden.

5.3.Burgergemeinden

Art. 117 Rechtsform und Organisation
  1. Die Burgergemeinden sind öffentlich-rechtliche Körperschaften, die gesetzlich festgelegte Aufgaben von öffentlichem Interesse erfüllen, insbesondere die Verwaltung ihres Vermögens.
  2. Jede Burgergemeinde verfügt über:
    • eine gesetzgebende Behörde: die Burgerversammlung;
    • eine ausführende Behörde: der Burgerrat.
  3. Das Gesetz bestimmt die Organisation der Burgergemeinden sowie das Burgerrecht.
Art. 118 Stimmberechtigte Burgerinnen und Burger
Stimmberechtigt in Burgerangelegenheiten sind:

  • Burgerinnen und Burger, die im Gebiet der Burgergemeinde wohnhaft sind;
  • Burgerinnen und Burger, die nicht im Gebiet der Burgergemeinde wohnhaft sind, jedoch die Stimmberechtigung beantragt und erhalten haben. Das Gesetz bestimmt den Umfang ihrer Rechte.
Art. 119 Burgerversammlung
  1. Die stimmberechtigten Burgerinnen und Burger sind berechtigt, an der Burgerversammlung teilzunehmen.
  2. Die Burgerversammlung hat in Burgerangelegenheiten die gleichen Befugnisse wie die Gemeindeversammlung. Sie entscheidet zudem über die Aufnahme neuer Burgerinnen und Burger.
Art. 120 Burgerrat
  1. Die stimmberechtigten Burgerinnen und Burger wählen einen Burgerrat von drei bis sieben Mitgliedern, die Präsidentin oder den Präsidenten sowie die Vizepräsidentin oder den Vizepräsidenten.
  2. Die Bestimmungen über die Wahl des Gemeinderates gelten sinngemäss.
Art. 121 Fusion und Auflösung
  1. Die stimmberechtigten Burgerinnen und Burger der betroffenen Burgergemeinden können in einer geheimen Abstimmung über die Fusion der Burgergemeinden beschliessen.
  2. Die stimmberechtigten Burgerinnen und Burger können die Auflösung der Burgergemeinde beschliessen. In diesem Fall wird das Vermögen der Burgergemeinde von der Gemeinde übernommen.
  3. Wenn eine Burgergemeinde nicht in der Lage ist, einen Burgerrat zu bilden, muss sie vor der nächsten Legislatur mit einer anderen Burgergemeinde fusionieren oder ihre Auflösung beschliessen.

6. ÖFFENTLICHE AUFGABEN

6.1.Allgemeine Grundsätze

Art. 122 Grundsätze staatlichen Handelns
  1. Die Grundsätze von Gemeinwohl, Effizienz, Gerechtigkeit, Solidarität, Transparenz und Vorbildlichkeit leiten das Handeln von Kanton und Gemeinden.
  2. Kanton und Gemeinden unterhalten und entwickeln eine qualitativ hochwertige Grundversorgung.
Art. 123 Subsidiarität und Zusammenarbeit
  1. Kanton und Gemeinden übernehmen Aufgaben von öffentlichem Interesse unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips. Der Kanton übernimmt jene Aufgaben, welche die Kraft der Gemeinden übersteigen oder einer einheitlichen Regelung bedürfen.
  2. Kanton, Gemeinden und mit öffentlichen Aufgaben beauftragte Dritte arbeiten bei der Erfüllung dieser Aufgaben zusammen.
Art. 124 Delegation
  1. Kanton und Gemeinden können Aufgaben Dritten übertragen, wenn die Übertragung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht und durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt ist.
  2. Die Aufsicht über die Durchführung der übertragenen Aufgaben obliegt dem bevollmächtigenden öffentlichen Gemeinwesen.
Art. 125 Dezentrale Aufgabenerfüllung
Der Kanton erfüllt öffentliche Aufgaben dezentral, wenn ihre Art, die Kosten oder die wirksame Aufgabenerfüllung es erlauben. Er sorgt für deren gerechte Verteilung auf dem Kantonsgebiet.
Art. 126 Aufgabenüberprüfung
Die zuständigen kantonalen Behörden überprüfen periodisch, ob die erfüllten öffentlichen Aufgaben notwendig, wirksam und effizient sind und ob ihre finanziellen Auswirkungen tragbar sind.
Art. 127 Regulierungsdichte
Kanton und Gemeinden ergreifen Massnahmen, Verwaltungsaufwand so gering wie möglich zu halten.
Art. 128 um
  1. Die öffentlichen Gemeinwesen haften für den Schaden, den ihre Amtsträgerinnen und Amtsträger bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben widerrechtlich verursachen.
  2. Die Amsträgerinnen und Amtsträger haften gegenüber dem öffentlichen Gemeinwesen für den direkten oder indirekten Schaden, den sie in Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit verursacht haben.
  3. Die Voraussetzungen der Haftung für rechtmässig verursachten Schaden regelt das Gesetz.
Art. 129 Verwirklichung der Gleichstellung von Menschen
  1. Kanton und Gemeinden ergreifen Massnahmen, um Diskriminierungen zu bekämpfen und die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung aller Menschen zu gewährleisten.
  2. Sie fördern namentlich eine ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern in der Politik und in Führungspositionen von öffentlichen Verwaltungen und Unternehmen.
  3. Besteht ein langfristiges Ungleichgewicht bei der Verteilung von Frauen und Männern in den politischen Behörden, kann das Gesetz eine zeitlich befristete Massnahme zur Korrektur dieses Ungleichgewichts vorsehen.
Art. 130 Nachhaltige Entwicklung
  1. Kanton und Gemeinden üben ihre Tätigkeiten unter Berücksichtigung der wechselseitigen Abhängigkeit von ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekten aus.
  2. Sie gewährleisten heutigen und zukünftigen Generationen eine gesunde und sichere Umwelt, indem sie darauf achten, dass die an die Realität des Kantons angepassten planetarischen Grenzen eingehalten werden.
Art. 131 Zukunftsfragen
Der Kanton entwickelt eine vorausschauende Politik, die sich insbesondere auf Indikatoren für Wohlfahrt und Lebensqualität stützt.
Art. 132 Solidarisches Handeln der Privaten
In seiner Sozialpolitik anerkennt und unterstützt der Kanton das solidarische Handeln der Privaten und der betreuenden Angehörigen. Er fördert letztere durch geeignete Massnahmen in Koordination mit den Gemeinden.

6.2.Familie

Art. 133 Familienpolitik
Kanton und Gemeinden anerkennen die Familie in ihrer Vielfalt und entwickeln eine umfassende Familienpolitik.
Art. 134 Unterstützung der Elternschaft
  1. Kanton und Gemeinden führen Massnahmen zur Unterstützung der Elternschaft ein.
  2. Solange keine eidgenössische Elternzeit besteht, richtet der Kanton eine kantonale Elternzeit ein.
Art. 135 Kindheit
  1. Kanton und Gemeinden gewährleisten den Zugang zu familien- und schulergänzenden Kinderbetreuungsangeboten, die für alle bezahlbar sind, und üben die Aufsicht darüber aus.
  2. Sie fördern den Zugang zu Entwicklungsaktivitäten, insbesondere im Bereich der frühen Kindheit.
Art. 136 Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben
  1. Kanton und Gemeinden ergreifen Massnahmen, um die Vereinbarkeit zu ermöglichen zwischen:
    • Familien- und Berufsleben in der Verwaltung;
    • Familien- und Berufsleben der gewählten Personen und ihrem öffentlichen Amt.
  2. Sie ermutigen die Unternehmen, dies ebenfalls zu tun.

6.3.Bildung

Art. 137 Grundsätze
  1. Der Kanton organisiert und finanziert das öffentliche Bildungswesen.
  2. Der Unterricht zielt auf die Vermittlung von Wissen, die Entwicklung von menschlichen, sozialen, intellektuellen und kreativen Kompetenzen sowie von kritischem Denken ab.
  3. Die konfessionelle und politische Neutralität des Unterrichts ist gewährleistet.
  4. Die freie Wahl der Schulmodelle öffentliche Schule, Privatschule oder Unterricht zu Hause ist anerkannt. Privatschulen und der Unterricht zu Hause unterliegen der Bewilligung und Aufsicht des Kantons.
  5. Kanton und Gemeinden fördern den zweisprachigen Unterricht.
  6. Der Kanton ergreift Massnahmen zur Verringerung der Ungleichheiten beim Zugang zu Wissen und richtet ein Beihilfesystem zur Unterstützung der nachobligatorischen Ausbildung ein.
Art. 138 Primar- und Sekundarschulunterricht I
  1. Der Primar- und Sekundarschulunterricht I ist obligatorisch und an öffentlichen Schulen unentgeltlich.
  2. Die erste unterrichtete Fremdsprache ist die andere Amtssprache.
  3. Der Kanton ergreift die erforderlichen Massnahmen zur Unterstützung von Schülerinnen und Schülern mit Schwierigkeiten.
  4. Er fördert die Zusammenarbeit zwischen der Schule und den Eltern.
Art. 139 Berufsbildung, Unterricht Sekundarstufe II und Tertiärstufe
Der Kanton gewährleistet:

  • die berufliche Grundbildung und die Berufsmaturität;
  • den Unterricht in allgemeinen Mittelschulen;
  • die tertiäre Bildung.
Art. 140 Erwachsenenbildung
  1. Der Kanton unterstützt die Weiterbildung.
  2. Er unterstützt Verfahren zur Validierung erworbener Kenntnisse.

6.4.Gesundheit

Art. 141 Gesundheitspolitik
  1. Der Kanton sorgt für bedarfsgerechte Leistungen im Bereich der physischen und psychischen Gesundheit. Er verringert soziale Ungleichheiten im Gesundheitswesen und strebt eine effiziente Gesundheitspolitik an.
  2. Er ergreift Massnahmen zur Gesundheitsförderung und Prävention.
Art. 142 Pflege- und Gesundheitssystem
  1. Der Kanton organisiert, koordiniert und überwacht das Pflege- und Gesundheitssystem. In Zusammenarbeit mit den Gemeinden und den öffentlichen und privaten Partnern sorgt er dafür, dass Alters- und Pflegeheime sowie Hilfs- und Pflegeleistungen zu Hause dem Bedarf der Bevölkerung entsprechen.
  2. Er schafft die Rahmenbedingungen für eine umfassende koordinierte Patientenversorgung.
  3. Kanton und Gemeinden:
    • gewährleisten den Zugang zu einer dezentralen medizinischen Grundversorgung und zu ausreichender Palliativpflege;
    • ergreifen Massnahmen, um die Autonomie schutzbedürftiger Personen in ihrem gewohnten Lebensumfeld zu unterstützen.

6.5.Soziales

Art. 143 Sozialpolitik
  1. Kanton und Gemeinden gewährleisten die soziale Sicherheit der Bevölkerung.
  2. Sie fördern die Eigenverantwortung generationenübergreifende Politik um. und die Chancengleichheit und setzen eine
  3. Sie ergreifen spezifische Massnahmen, um Situationen der Prekarität und soziale Ausgrenzung zu verhindern.
  4. Der Kanton trifft Massnahmen zur Wiedereingliederung von Personen, denen die Freiheit entzogen wurde.
Art. 144 Sozialhilfe
  1. Kanton und Gemeinden unterstützen bedürftige Personen mit Massnahmen der Sozialhilfe. Zu diesem Zweck und in Koordination mit den Sozialleistungen des Bundes richten sie ein System ausreichender und wirksamer Hilfeleistungen ein.
  2. Die Sozialhilfe ist grundsätzlich nicht rückzahlbar.
  3. Kanton und Gemeinden Sozialhilfeempfangende.
Art. 145 fördern
  1. Kanton und Gemeinden legen eine Wohnungspolitik fest, die darauf abzielt, dass jede Person eine Wohnung finden kann, indem sie insbesondere die Schaffung von gemeinnützigem Wohnraum fördern.
  2. Sie fördern das selbstgenutzte Wohneigentum und die Sanierung mit Blick auf eine nachhaltige Entwicklung.
Art. 146 Integration und Einbürgerung
  1. Der Kanton erleichtert die Integration von ausländischen Personen.
  2. Das Gesetz sieht einheitliche, einfache und rasche Einbürgerungsverfahren vor.
Art. 147 Humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit
Der Kanton unterstützt die humanitäre Hilfe, die Entwicklungszusammenarbeit und den fairen Handel.

6.6.Sicherheit

Art. 148 Öffentliche Ordnung und Sicherheit
  1. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat.
  2. Kanton und Gemeinden gewährleisten die öffentliche Ordnung und Sicherheit.
Art. 149 Bevölkerungsschutz
Um den Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten, treffen Kanton und Gemeinden die notwendigen Massnahmen, um Katastrophen und Notlagen infolge natürlicher, technischer oder gesellschaftlicher Gefahren vorzubeugen und sie zu bewältigen.
Art. 150 Schutz vor Gewalt
Kanton und Gemeinden schützen die Bevölkerung vor jeder Form von Gewalt. Der Kanton gewährleistet die Versorgung und Betreuung der Opfer.

6.7. Raum, Mobilität und Umwelt

Art. 151 Raumplanung
  1. Kanton und Gemeinden sorgen für eine differenzierte und solidarische Raumplanung, die es ermöglicht, den Lebensraum, die Umwelt und die natürlichen Ressourcen aufzuwerten und zu erhalten.
  2. Sie achten insbesondere auf eine zweckmässige und haushälterische Nutzung des Bodens und auf eine geordnete Besiedelung des Landes.
  3. Der Kanton koordiniert die Raumplanung und unterstützt die interkommunale Zusammenarbeit.
Art. 152 Kantonale Infrastrukturen
Der Kanton definiert eine vorbildliche, effiziente und umweltfreundliche Infrastrukturpolitik.
Art. 153 Mobilität
  1. Der Kanton sorgt für eine angemessene Mobilität. Er berücksichtigt die Bedürfnisse der Bevölkerung und die geografischen Gegebenheiten.
  2. Er fördert umweltschonende Mobilitätsformen.
  3. Die Bedürfnisse des Langsamverkehrs werden bei der Gestaltung der Strasseninfrastruktur berücksichtigt.
Art. 154 Energie
  1. Kanton und Gemeinden sorgen für eine sichere und ausreichende Energieversorgung.
  2. Sie unterstützen die einheimische und erneuerbare Energieerzeugung und -versorgung.
  3. Sie unterstützen Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und fördern den sparsamen und rationellen Energieverbrauch.
Art. 155 Klima
  1. Der Kanton ergreift Massnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und strebt die Klimaneutralität an.
  2. Er stärkt die Anpassungsfähigkeit an die Auswirkungen des Klimawandels.
Art. 156 Natürliche Ressourcen
  1. Kanton und Gemeinden sorgen für eine nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen.
  2. Sie fördern die Kreislaufwirtschaft, um die natürlichen Ressourcen zu erhalten.
  3. Sie sichern die Wasserversorgung. Die Ressource Wasser bleibt im öffentlichen Eigentum.
Art. 157 Umwelt
  1. Kanton und Gemeinden schützen die Umwelt.
  2. Sie sorgen für die Erhaltung und Förderung der Biodiversität.
  3. Schädliche oder lästige Einwirkungen auf Mensch und Natur sind zu vermeiden, zu reduzieren oder zu beseitigen.
Art. 158 Fauna und Flora
  1. Der Kanton schützt die Fauna und Flora und ihre Biotope. Er regelt die Ausübung der Jagd und der Fischerei.
  2. Er erlässt Vorschriften zum Schutz vor Grossraubtieren und zur Beschränkung und Regulierung des Bestands. Die Förderung des Grossraubtierbestandes ist verboten.

6.8.Wirtschaft

Art. 159 Wirtschaftspolitik und -förderung
  1. Unter Beachtung der Wirtschaftsfreiheit schaffen Kanton und Gemeinden günstige Rahmenbedingungen für eine leistungsfähige, diversifizierte, innovative und territorial dezentralisierte Wirtschaft. Sie wahren die Interessen der lokalen Wirtschaft und fördern kurze Wertschöpfungsketten.
  2. Der Kanton trifft Massnahmen für eine ausgeglichene konjunkturelle Entwicklung, insbesondere um Arbeitslosigkeit zu verhindern und zu bekämpfen.
  3. Er fördert und unterstützt im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten alle Tätigkeitsbereiche und alle Wirtschaftszweige, die für den Kanton von Interesse sind.
  4. Er fördert die Promotion des Wallis als innovativen, authentischen und nachhaltigen Kanton, um sein Image als attraktiver Ort zum Leben, zum Arbeiten und für die Freizeit zu stärken.
Art. 160 Beschäftigung und Arbeitsbedingungen
  1. Kanton und Gemeinden fördern die wirtschaftlichen Aktivitäten, um Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen.
  2. Sie unterstützen Umschulungs-, Fortbildungs- und berufliche Wiedereingliederungsmassnahmen.
  3. Der Kanton kämpft gegen prekäre Arbeitsbedingungen.
  4. Er sorgt für den Schutz der physischen und psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz.
Art. 161 Innovation und Forschung
  1. Der Kanton fördert und unterstützt Innovation, Forschung und Entwicklung, namentlich in Unternehmen und im Bildungsbereich.
  2. Er stellt die in seinem Besitz befindlichen Datensätze in einem offenen Format, das ihre Wiederverwendung erleichtert, frei zur Verfügung. Das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
Art. 162 Land- und Forstwirtschaft
  1. Der Kanton trägt zum Fortbestand der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit bei, indem er attraktive Rahmenbedingungen gewährleistet, die es ebenfalls ermöglichen, sowohl die erforderliche Quantität an landwirtschaftlichen Flächen als auch deren Qualität zu erhalten.
  2. Er unterstützt die Land- und Forstwirtschaft in ihren wirtschaftlichen, schützenden, ökologischen und sozialen Funktionen.
  3. Er fördert umwelt- und tierfreundliche land- und forstwirtschaftliche Tätigkeiten, die eine qualitativ hochwertige lokale Produktion sowie die Erhaltung der landschaftlichen Werte und des ländlichen Kulturguts begünstigen.
  4. Er führt ein physisches Register der einheimischen Nutzpflanzenarten, das ihren Fortbestand und ihre Verfügbarkeit garantiert.
  5. Er unterstützt die Landwirtschaft bei der Erreichung der Ernährungssicherheit.
Art. 163 Tourismus
Kanton und Gemeinden schaffen die Rahmenbedingungen für die Entwicklung eines vielfältigen und qualitativ hochwertigen Tourismus, der das Gleichgewicht zwischen Berg und Tal fördert.
Art. 164 Monopole und Regale
Kanton und Gemeinden können Monopole errichten, sofern ein öffentliches Interesse dies erfordert. Kantonale Regale bleiben vorbehalten.

6.9.Kultur, Erbe, Sport und Freizeit

Art. 165 Kultur und Kulturerbe
  1. Kanton und Gemeinden unterstützen das kulturelle Leben, das künstlerische Schaffen, die Bildung sowie den kulturellen Austausch und fördern den Zugang zur Kultur.
  2. Sie tragen zum Schutz und zur Aufwertung des kulturellen Erbes bei.
Art. 166 Sport und Freizeit
  1. Kanton und Gemeinden unterstützen den Breitensport und fördern den Zugang zu vielfältigen Freizeitaktivitäten.
  2. Der Kanton fördert den Spitzensport in Ergänzung zu privater Initiative.

7. FINANZEN

Art. 167 Grundsätze
  1. Die Haushaltsführung muss sparsam, wirksam und effizient sein. Sie zielt insbesondere darauf ab, die Auswirkungen der Konjunkturzyklen abzumildern.
  2. Kanton und Gemeinden planen ihre Aufgaben und deren Finanzierung langfristig.
  3. Jede Ausgabe setzt eine gesetzliche Grundlage, einen Budgetkredit und einen Ausgabenbeschluss des zuständigen Organs voraus.
Art. 168 Steuern und andere Abgaben
  1. Kanton und Gemeinden erheben die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Steuern und anderen Abgaben.
  2. Bei der Ausgestaltung der Steuern sind die Grundsätze der Allgemeinheit, der Rechtsgleichheit und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu beachten.
  3. Die Auswirkungen der kalten Progression werden ausgeglichen.
  4. Verheiratete oder in einer eingetragenen Partnerschaft lebende Personen werden steuerlich nicht benachteiligt.
  5. Kanton und Gemeinden bekämpfen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung.
Art. 169 Ausgeglichener Finanzhaushalt
  1. Der Voranschlag des Kantons muss einen Ertragsüberschuss und einen Finanzierungsüberschuss ausweisen, welche die für eine harmonische Entwicklung des Kantons notwendigen Investitionen und Investitionsbeteiligungen Dritter sicherstellen sowie die Tilgung eines allfälligen Bilanzfehlbetrages und der Schuld gewährleisten.
  2. Weicht die Rechnung vom Voranschlag ab und weist sie einen Aufwandüberschuss oder einen Finanzierungsfehlbetrag aus, so muss die Tilgung dieser Fehlbeträge im Voranschlag des übernächsten Jahres vorgesehen werden.
  3. Die Gesetzgebung regelt die Anwendung der in diesem Artikel aufgestellten Grundsätze und das Verfahren. Sie kann Ausnahmen vorsehen aufgrund der wirtschaftlichen Konjunktur oder im Falle von Naturkatastrophen oder anderen ausserordentlichen Ereignissen.
Art. 170 Aufsicht und Kontrolle
  1. Eine oder mehrere Behörden überwachen in völliger Unabhängigkeit und Autonomie die Verwendung aller öffentlichen Mittel, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Gesetzmässigkeit, der Ordnungsmässigkeit, der Wirksamkeit, der Wirtschaftlichkeit und der Effizienz.
  2. Diese Behörde oder Behörden sind insbesondere mit folgenden Aufgaben betraut:
    • der Leistungskontrolle,
    • der Prüfung der Regelkonformität.
  3. Ihre Mitglieder werden vom Grossen Rat ernannt.
  4. Die Kontrollen sind Gegenstand von öffentlichen Berichten, unter Vorbehalt der im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen.

8. KIRCHEN UND RELIGIONSGEMEINSCHAFTEN

Art. 171 Kirchen und Religionsgemeinschaften
  1. Der Kanton trägt der geistigen Dimension des Menschen Rechnung.
  2. Er anerkennt den Beitrag der Kirchen und der Religionsgemeinschaften zu den sozialen Beziehungen und zum Gemeinwohl.
  3. Er sorgt, entsprechend seinen Mitteln, für die Erhaltung des religiösen Erbes.
Art. 172 Öffentlich-rechtlich anerkannte Kirchen
  1. Die römisch-katholische Kirche und die evangelisch-reformierte Kirche sind als juristische Personen des öffentlichen Rechts anerkannt.
  2. Der Kanton gewährt ihnen auf der Grundlage einer Leistungsvereinbarung die notwendigen Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Dienst der Bevölkerung.
  3. Der Kanton überprüft die Richtigkeit und Transparenz der Budgets und Rechnungen sowie die Verwaltung des Vermögens der Kirchen und Pfarreien, die öffentliche Mittel erhalten.
  4. Das Gesetz legt die Leistungen des Kantons fest.
Art. 173 Religionsgemeinschaften
  1. Die Religionsgemeinschaften unterliegen dem Privatrecht.
  2. Auf ihr Gesuch kann ihnen der Kanton den Status des öffentlichen Interesses verleihen.
  3. Ihre Anerkennung ist insbesondere an ihre Bedeutung, die Dauer ihres Bestehens sowie die Achtung der Rechtsordnung und der Regeln der Transparenz gebunden.
Art. 174 Organisation und Autonomie
  1. Für jede öffentlich-rechtlich anerkannte Kirche oder Religionsgemeinschaft des öffentlichen Interesses wird ein eigenes Gesetz erlassen.
  2. Die öffentlich-rechtlich anerkannten Kirchen und die Religionsgemeinschaften organisieren sich unter Achtung der Rechtsordnung und unter strikter Einhaltung des konfessionellen Friedens selbständig.

9. REVISION DER VERFASSUNG

Art. 175 Grundsätze
  1. Die Verfassung kann jederzeit ganz oder teilweise revidiert werden.
  2. Jede Revision ist dem Volk zur Abstimmung zu unterbreiten und wird mit absoluter Mehrheit der gültigen Stimmen entschieden.
  3. Verfassungsvorlagen werden mindestens zweimal beraten.
  4. Der Grosse Rat oder ein Verfassungsrat kann entscheiden, dem Volk Varianten zur Abstimmung zu unterbreiten.
Art. 176 Volksinitiative
  1. 6000 Stimmberechtigte können beim Grossen Rat mit einer Initiative eine Total- oder Teilrevision der Verfassung verlangen. Die Frist für die Unterschriftensammlung beträgt ein Jahr seit der amtlichen Veröffentlichung des Initiativbegehrens.
  2. Das Revisionsbegehren kann in Form der allgemeinen Anregung oder, sofern nicht eine Totalrevision der Verfassung verlangt wird, in Form eines ausgearbeiteten Entwurfs erfolgen.
  3. Die Initiative ist innerhalb von zwei Jahren nach der Veröffentlichung des Zustandekommens dem Volk zur Abstimmung zu unterbreiten.
  4. Der Grosse Rat kann diese Frist um ein Jahr verlängern, falls er beschliesst, der Initiative in Form eines ausgearbeiteten Entwurfs einen Gegenentwurf gegenüberzustellen.
Art. 177 Totalrevision
  1. Die Totalrevision der Verfassung kann vom Grossen Rat oder durch Volksinitiative verlangt werden.
  2. Wird die Totalrevision verlangt, entscheidet das Volk in der gleichen Abstimmung:
    • ob sie durchzuführen ist;
    • ob die Verfassung vom Grossen Rat oder von einem Verfassungsrat, der nach den gleichen Regeln wie der Grosse Rat gewählt wird, revidiert werden soll.
  3. Die Volksinitiative, die eine Totalrevision der Verfassung verlangt, wird mit einer Stellungnahme des Grossen Rates dem Volk zur Abstimmung unterbreitet.
Art. 178 Teilrevision
  1. Die Teilrevision der Verfassung kann vom Grossen Rat oder durch Volksinitiative verlangt werden.
  2. Die vom Grossen Rat durchgeführte Teilrevision bildet zunächst Gegenstand einer Debatte über die Zweckmässigkeit.
  3. Die Volksinitiative, die eine Teilrevision verlangt, wird mit einer Stellungnahme des Grossen Rates dem Volk zur Abstimmung unterbreitet. Wenn sie die Form eines ausgearbeiteten Entwurfs hat, kann ihr der Grosse Rat einen Gegenentwurf gegenüberstellen.
  4. Die Stimmberechtigten stimmen gleichzeitig über die Initiative und den Gegenentwurf ab. Sie können beiden Vorlagen zustimmen und in der Stichfrage angeben, welcher Vorlage sie den Vorzug geben, falls beide angenommen werden.
  5. Die Bestimmungen über die Gültigkeit der Initiative gelten sinngemäss für die Teilrevision der Verfassung.

10. SCHLUSS- UND ÜBERGANGSBESTIMMUNGEN

Art. 179 Schlussbestimmungen
Diese Verfassung tritt nach ihrer Annahme durch das Volk in Kraft.
Art. 180 Formelle Anpassung von Teilrevisionen
  1. Änderungen der Verfassung des Kantons Wallis vom 8. März 1907 nach Verabschiedung dieser Verfassung werden formal an diese Verfassung angepasst.
  2. Die entsprechenden Beschlüsse des Grossen Rates unterliegen nicht dem Referendum.
Art. 181 Aufhebung und Weitergeltung des bisherigen Rechts
  1. Die Verfassung des Kantons Wallis vom 8. März 1907 wird aufgehoben.
  2. Bestimmungen des bisherigen Rechts, die den direkt anwendbaren Bestimmungen dieser Verfassung widersprechen, werden aufgehoben.
  3. Im Übrigen bleibt das bisherige Recht weiterhin in Kraft, vorbehältlich anderslautender Übergangsbestimmungen.
Art. 182 Ausführungsgesetzgebung
Im Einvernehmen mit dem Staatsrat arbeitet der Grosse Rat ohne Verzug, spätestens aber innerhalb von fünf Jahren ab Inkrafttreten der Verfassung, die Ausführungsgesetzgebung der neuen Verfassung aus. Er berichtet über den Fortschritt der Arbeiten.
Art. 183 Initiativen und Referenden
  1. Für Initiativen und Referenden, die vor Inkrafttreten dieser Verfassung angemeldet wurden, bleibt das bisherige Recht gültig.
  2. Vor Inkrafttreten dieser Verfassung angemeldete Initiativbegehren auf Teilrevision der Verfassung des Kantons Wallis vom 8. März 1907 werden vom Grossen Rat in Revisionsentwürfe zu dieser Verfassung umgewandelt.
Art. 184 Wahl in den Ständerat
Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer können bei den nächsten Ständeratswahlen nach Inkrafttreten dieser Verfassung die Walliser Mitglieder des Ständerates wählen.
Art. 185 Wahl des Grossen Rates
  1. Die Bestimmungen betreffend die Wahl des Grossen Rates gelten ab der Grossratswahl, die auf das Inkrafttreten dieser Verfassung folgt.
  2. Bis zum Inkrafttreten gesetzlicher Bestimmungen nach Artikel 66 Absatz 2 dieser Verfassung sind die sechs Wahlkreise die folgenden:
    • der Wahlkreis Brig bestehend aus den ehemaligen Bezirken Goms und Brig und dem ehemaligen Halbbezirk Östlich Raron;
    • der Wahlkreis Visp bestehend aus den ehemaligen Bezirken Visp und Leuk und dem ehemaligen Halbbezirk Westlich Raron;
    • der Wahlkreis Siders bestehend aus dem ehemaligen Bezirk Siders;
    • der Wahlkreis Sitten bestehend aus den ehemaligen Bezirken Sitten, Ering und Gundis;
    • der Wahlkreis Martinach bestehend aus den ehemaligen Bezirken Martinach und Entremont;
    • der Wahlkreis Monthey bestehend aus den ehemaligen Bezirken Saint-Maurice und Monthey.
  3. Bis zum Inkrafttreten gesetzlicher Bestimmungen nach Artikel 66 Absatz 4 dieser Verfassung beträgt der Mindestanteil an Stimmen, der in einem Wahlkreis erreicht werden muss, damit eine Liste bei der Sitzverteilung berücksichtigt wird, fünf Prozent.
  4. Die Sitzverteilung darf bei der Grossratswahl, die auf das Inkrafttreten dieser Verfassung folgt, in den zusammengelegten Wahlkreisen Brig und Visp, Sitten und Siders sowie Martinach und Monthey nicht zu einer Erhöhung oder Verringerung um mehr als einen Sitz führen.
Art. 186 Wahl und Organisation des Staatsrates
  1. Die Bestimmungen betreffend die Wahl und die Organisation des Staatsrates gelten ab der Gesamterneuerungswahl des Staatsrates, die auf das Inkrafttreten dieser Verfassung folgt.
  2. Bis zum Inkrafttreten gesetzlicher Bestimmungen nach Artikel 79 Absatz 4 dieser Verfassung bestehen: – die Regionen Brig und Visp aus den ehemaligen Bezirken Goms, Brig, Visp, und Leuk und den ehemaligen Halbbezirken Östlich Raron und Westlich Raron; – die Regionen Siders und Sitten aus den ehemaligen Bezirken Siders, Sitten, Ering und Gundis; – die Regionen Martinach und Monthey aus den ehemaligen Bezirken Martinach, Entremont, Saint-Maurice und Monthey.
Art. 187 Wahl der Mitglieder der Justizbehörden
Für die Wahl der Mitglieder der Justizbehörden gilt Folgendes:

  • Die zwischen dem Inkrafttreten dieser Verfassung und dem 31. Dezember 2024 zu besetzenden Ämter unterstehen dem alten Recht ;
  • Die neuen Bestimmungen (art. 98, 99 Abs. 2) sind auf die ab dem 1. Januar 2025 zu besetzenden Ämter anwendbar.
Art. 188 Richterinnen und Richter der Amtsbezirke oder der Gemeinden
Die Richterinnen und Richter der Amtsbezirke oder der Gemeinden und deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter werden für die Legislaturperiode 2024-2028 nach dem alten Recht gewählt. Für Ersatzwahlen während dieser Zeit gilt ebenfalls das alte Recht.
Art. 189 Wahl des Generalrates
  1. Die Bestimmungen betreffend den Generalrat finden das erste Mal Anwendung auf die Gesamterneuerungswahl der Gemeindebehörden im Jahr 2028
  2. Innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten der Verfassung beschliessen in einer geheimen Abstimmung die in Gemeindeangelegenheiten Stimmberechtigten der Gemeinden, die mehr als 5’000 Einwohnerinnen und Einwohnern zählen und keinen Generalrat haben, ob sie auf die Einführung eines Generalrates im Sinne von Artikel 111 Absatz 2 verzichten wollen.
Art. 190 Politische Rechte von Ausländerinnen und Ausländern in Gemeindeangelegenheiten
Artikel 43 Absatz 1 Buchstabe b gilt ab der Gemeindewahl, die auf das Inkrafttreten dieser Verfassung folgt.

11. VARIANTE

11.0. VARIANTE

Art. 43 Inhaberinnen und Inhaber der politischen Rechte
  1. Stimmberechtigt in Gemeindeangelegenheiten sind Schweizerinnen und Schweizer, die das 18. Altersjahr erreicht haben und in der Gemeinde wohnhaft sind.
Art. 190 Politische Rechte von Ausländerinnen und Ausländern in Gemeindeangelegenheiten
Gestrichen